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Vorgeschichte Steffen Habermann (4)



Das hier ist Annabel.

Annabel

Sie stieß zur Familie, da sie den Freund der Vorbesitzerin gebissen hatte und deshalb ins Tierheim Sollte.
Die Fellzeichnung nennt sich übrigens Perlfeh. Im Gegensatz zu Diogenes war Annabel ganz die feine Dame mit ausgeprägten Moralvorstellungen. Gelächter konnte sie absolut nicht ab (ganz besonders kein Gelächter über sie selbst), und wenn man ihr eine Scheibe Wurst unter die Nase hielt, flüchtete sie ans andere Ende der Wohnung und schaute die nächsten 30 Minuten streng drein!
Annabel hat übrigens ein biblisches Kaninchen-Alter erreicht und für Kaninchen-Verhältnisse eine Unmenge erlebt. Vielleicht bekommt sie ja noch eine eigene Fotoseite, wenn ich mal Zeit dafür habe...
Ach ja, eines möchte ich noch erwähnen: Kennt ihr den Roman UNTEN AM FLUß? Handelt von Kaninchen und ist auch aus Kaninchensicht geschrieben. In dem Buch erzählen sich die Kaninchen immer Sagen über einen Kaninchenhelden El Arairah und seinen Gefährten Rabscuttle. Wenn man diese Geschichten vorlas, wurde Annabel so aufmerksam und nachdenklich wie in keinem anderen Zusammenhang. Ob ihr wohl ihre Kaninchenmutter diese Geschichten schon zur guten Nacht erzählt hat?? Keiner wird es je erfahren...


Die Ausbildung im Auswärtigen Amt enthält auch ein Auslandspraktikum. Dieses habe ich 1990/1991 in New York durchlaufen. Die Annabel konnte ich leider nicht mitnehmen, jedenfalls wurde mir das so mitgeteilt. Also kam sie auf 11 Monate in Pflege zu meinen Eltern, die natürlich begeistert waren.

Ich will euch jetzt nicht mit New-York-Fotos langweilen, die man auch in jedem Reiseführer sehen kann bzw. die jeder, der schon mal dort war, in seinem Fotoalbum zu kleben hat.
Im World Trade Center war ich übrigens mehrmals, einmal hat mich sogar der Chef der New Yorker Restaurant-Fachschule durch den Weinkeller des dortigen Restaurants im 105. Stockwerk geführt. Gekostet wurde auch, und es war wohl die Probe der besten Weine, die ich je zu trinken bekam (den Typen, der das ermöglicht hat, habe ich auf einer in den Räumen des deutschen Generalkonsulats stattfindenden Vernissage kennengelernt).



Tja, und eines Tages begab es sich in New York, daß ich am Wochenende Brötchen fürs Frühstück holen wollte. Auf dem Rückweg steht ein New Yorker an der Kreuzung und hält ratlos etwas auf der Hand. Ein Spatzenkind.

Lenchen

Da ich aus Jugendzeiten weiß, wie man kleine Spatzenkinder aufzieht, versuche ich dem Mann gute Tips mit auf den Weg zu geben: Ein Gemisch aus Quark und Eigelb in eine Einwegspritze (natürlich ohne Nadel) geben und - füttern. Tagsüber stündlich, nachts zunächst alle zwei Stunden.
Aber der gute New Yorker hört nicht zu. Gerade noch sehe ich ihn um die Ecke biegen und merke plötzlich, daß nunmehr ich selbst das Spatzenbaby auf dem Finger zu sitzen habe.
Den Vogel erst mal zu Hause abgeben war leicht. Aber man versuche mal, in New York eine Einwegspritze zu kaufen! In allen Apotheken wurde ich darauf hingewiesen, daß dies illegal sei und man nicht in den Knast kommen wolle. Selbst eine Spritze ohne Nadel wurde nicht herausgerückt und meine Erklärungsversuche mit dem Vogelbaby-Füttern wurden als lange-nicht-mehr- so-eine-originelle-Ausrede-gehört abgetan. Aber als meine Ratlosigkeit am größten war, entdeckte ich eine Spritze, mit der man Babies Medizin verabreichen sollte -die Rettung!!

Das Vogelkind wurde auf den Namen Lenchen getauft und in der Folgezeit mußte das Tierchen täglich mit zur Arbeit genommen werden (wegen der stündlichen Fütterei). Mit einem verdeckten Vogelkäfig, aus dem heraus es ständig piept, fällt man eben sogar in New York auf. 500 Dollar sogar hat man mir geboten für einen Vogel, wie er an jeder Straßenkreuzung New Yorks vorkommt!

Lenchen wurde aber zu dem zahmsten und anhänglichsten Vogel, den ich seit langem gesehen habe. Und keiner kann behaupten, ihm sei gegen seinen Willen ein Leben in Freiheit genommen worden. Lenchen entflog nämlich mal zu Pfingsten in den Garten (das war dann schon wieder in Bonn) und kam nach etlichen Minuten des Bangens freiwillig auf meine Schulter zurückgeflogen. Das zerzauste Gefieder und das Geschimpfe der anderen Spatzen im Garten zeigten zudem, daß der Vogel von den anderen gar nicht in die Gemeinschaft aufgenommen worden wäre.

Lenchen wurde übrigens über 10 Jahre alt, trotz mehrerer Umzüge und zweier Evakuierungen! Schade, daß ich nicht mehr Fotos von ihr habe, denn Spatzen lassen ungern einen Fotoapparat in die unmittelbare Nähe und bei Fotos aus einiger Entfernung erscheinen sie natürlich nur als Punkt auf dem Bild. Das hier vorhandene Foto stammt übrigens aus dem Jahr 2001, da war Lenchen also schon 10...




Im Anschluß an das Auslandspraktikum folgte irgendwann die Abschlußprüfung.
Da mein Bestreben, ins Ausland zu gehen, seinerzeit gering war (man hätte die Versetzungsvorbereitungen nämlich parallel zu den Prüfungsvorbereitungen durchziehen müssen), blieb ich nach der Laufbahnprüfung erst mal in der Zentrale in Bonn. Die Bundeswehr würde mich schon nicht kriegen, es gab ja eine sogenannte "Unabkömmlichstellung"!

Bundeswehr

Sie haben mich doch noch gezogen, völlig überraschend! Obwohl ich schon fast 25 war - aber fast ist eben nicht ganz und die Unabkömmlichstellung galt nicht für den Inlandsaufenthalt, sondern war auf zwei Jahre befristet...
Insgesamt habe ich aber Glück im Unglück gehabt:
Grundausbildung in Budel (Holland) - das hies schon mal doppelten Wehrsold, zollfrei und überhaupt frei einkaufen (& nicht erwischen lassen), sich von allem, was keinen Spaß macht - und davon gibt es bei der Bundeswehr Vieles - befreien lassen und mehr.
Im Anschluß kam ich nach Bonn (wie praktisch) ins BMVg (Verteidigungsministerium) und durfte dort im Parlaments- und Kabinettsreferat den Laufburschen spielen. Was - und wer erlebt das schon - durchaus öfters mal bedeutet hat, daß ich mit Ausgehuniform und Dienstwagen zum Bundestag oder Kanzleramt fahren mußte, um dem Referatsleiter eine Akte hinterherzubringen oder halt sonstwas zu tun.

1995 hat mich das Auswärtige Amt dann an unsere Botschaft in Belgrad versetzt, was meinen Wehrdienst sogar um einen Monat verkürzt hat (wieder Schwein gehabt!!).

Büro Belgrad

Hier seht ihr mich in meinem Belgrader Büro. Ehemals diente das Gebäude der DDR als Botschaft, und das Büro, das mir zugeteilt wurde, hatte damals der Verteidigungsattaché der DDR inne. Fast schon ein Saal, mit Intarsien an holzvertäfelten Wänden (nicht im Bild) und mit einem kleinen Nebenraum incl. Safe - für so einen popeligen kleinen Beamten eine tolle Residenz!
Leider erwies sich der Posten Belgrad nicht als allzu glücksverheißend. Spätestens ab Sommer 1998 machten die Drohungen der NATO gegen Jugoslawien das Leben dort zunehmend unberechenbar. So wurde z.B. während meines Herbsturlaubs 1998 die Botschaft kurzfristig nach Budapest evakuiert, Annabel und Lenchen wurden durch nette Kollegen mitgenommen, und auch danach wurden die Koffer (und die Akten der Botschaft) so ca. alle 2 Wochen aus- und wieder eingepackt. Wer übrigens mal einen Eindruck haben möchte, wie so eine Evakuierung abläuft, den verweise ich hier mal auf eine kurze humorvolle Darstellung des zweiten Manns der Botschaft Belgrad, sehr treffend geschrieben!
Die Standzeit in Belgrad endete mit einer Evakuierung im März 1999 - als wir schon alle gar nicht mehr damit rechneten, gings tatsächlich los (diesmal nach Zagreb) und wenige Tage später zeigten die Nachrichten, wie die NATO meinen Dienstort bombardiert. Das baut übrigens unglaublich auf, nicht nur, weil sich der Hausstand ja noch dort befand. Man lernt ja doch eine Reihe von Leuten im Gastland näher kennen und mit denen während eines Bombenangriffs zu telefonieren, hat schon was seltsames...
Aber die Möbel habens überstanden (waren nur ganz extrem staubig) und dank der Nachbarn hatten sogar die Pflanzen überlebt. Das stelle man sich mal vor, da gehen die guten Leute tagsüber die Blumen des Feindes gießen, der sie nachts bombardiert!

Tja, und nach der Evakuierung bin ich dann erstmal im Inland geblieben. Zentrale muß ja auch mal sein, und dort habe ich mich dann auch langsam mit Uta angefreundet.

Was bedeutet, daß sich das große Kapitel meiner Vorgeschichte hier dem Ende nähert und die Geschichte anfängt. Viel Spaß damit!!


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